Warum gab es in der Erdgeschichte immer wieder Eiszeiten? Mit dieser Frage hatte sich der serbische Mathematiker, Ingenieur und Geowissenschaftler Milutin Milankovíc intensiv beschäftigt und ab 1920 seine Theorie veröffentlicht. Demnach beeinflussen Schwankungen der Erdbahn und ihrer Rotationsachse im Laufe von mehreren zehntausend Jahren, wie viel Sonnenstrahlung die Erdoberfläche erreicht.
Milankovićs Theorie hatte zunächst aber eine Achillesferse – denn sie war eine theoretische Arbeit, die auf astronomische Daten in Verbindung mit physikalischen Gleichungen setzte. Ob die Milanković-Zyklen sich auch in geologischen Daten, in Gesteinen, Sedimenten oder Fossilien nachweisen lassen, war unklar. Selbst 1958, im Todesjahr des Forschers, war seine Theorie umstritten. Im darauffolgenden Jahrzehnt sollten die Milanković-Zyklen dann fast alle ihre Unterstützer verlieren.
Karl erzählt in seiner zweiten Folge (hier geht es zu Teil 1), wie es weiterging mit den Milanković-Zyklen. Die Theorie geriet in eine Krise, weil dank des Manhattan-Projektes und daraus erwachsener Kernphysik mehrere neue Methoden entwickelt worden waren, um das Alter von Gesteinen und Sedimenten genau zu messen. Vor allem war das die Radiokarbonmethode des Chemikers Willard Libby, die trotz einiger Einschränkungen bis heute zu den wichtigsten wissenschaftlichen Werkzeugen überhaupt gehört.
Bei der Datierung von immer mehr Gesteinen oder Sedimenten wurde bald auch das Alter der letzten Eiszeit immer genauer bestimmt. Zwar schien der Zeitpunkt des sogenannten letzten glazialen Maximums von rund 18.000 Jahren mit Milankovićs Vorhersagen übereinzustimmen. Bald zeigten sich aber immer neue Abweichungen in der Klimageschichte des letzten 150.000 Jahre, die nicht zu allen Vorhersagen der Milanković-Zyklen zu passen schienen.
Was folgte, war eine weltweite Spurensuche, die auf tropischen Inseln und zuletzt in die Tiefsee der Ozeane führte, wo Sediment ein weit zurückreichendes Klimaarchiv bildet. Erst 1976 schien die Debatte um die Milanković-Zyklen beigelegt worden zu sein. Die Forschung zu diesem Phänomen dauert aber bis heute an.
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- WP: CLIMAP Project (englisch)
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- WP: 100.000-year problem (englisch)
Quellen
- Tagungsband: Berger et al.: Milankovich and the Climate – Understanding the Mystery, NATO ASI Series (1984)
- Buch: John Imbrie & Katherine Palmer Imbrie: Ice Ages – Solving the Mystery, Harvard University Press (1982)
- Fachartikel: Hays, Imbrie & Shackelton: Variations in Earth‘s Orbit: Pacemaker of the Ice Ages, Science (1976)
- Fachartikel: Barker et al.: Glacial Cycles: Distinct roles for precession, obliquity, and eccentricity in Pleistocene 100-kyr glacial cycles, Science (2025)
Episodenbild: Kieselskelett des einzelligen Strahlentierchens (Radiolaria) Stylodicta clavata, Fundort: Barbados; Quelle: CC-BY-SA 2.0 Picturepest
Hi! Danke für die schöne Fortsetzung. Beim Vortrag über die Milanković-Zyklen an der hannoverschen Volkssternwarte wurde ein zwar sehr logischer, aber mir bis dahin unbekannter Aspekt erwähnt: Dass das Wasser in Polnähe zirkulieren kann und nicht durch eine zusammen hängende Landmasse unterbrochen wird. Das wirkt dann wie ein Kühlschrank auf das Klima. Würde sich also die Meerenge zwischen Feuerland und der Antarktis schließen, hätte das eine starke Erwärmung der Erdatmosphäre zur Folge. Somit sind die verschiedenen Klimaperioden der Erde aus dem Dreiklang von Milanković-Zyklen, Verteilung der Plattentecktonik und chemisch-biologischen Prozessen (zu denen mittlerweile eben auch die menschliche Zivilisation zählt) zu erklären. Und womöglich sogar weiteren astronomischen Ereignissen, so war da z.B. von der Hypothese die Rede, dass unser Sonnensystem vor einigen Milliarden Jahren eine kosmische Staubwolke durchquert hat und dies zu einer starken Abkühlung auf der Erde geführt habe, weil sich viel Staub zwischen Sonne und Erde befunden habe. Klimatologie jedenfalld super spannende Detektiv-Arbeit!
Übrigens: Just als ich das Quiz dieser Folge anhörte, lief gerade ein Wettkampf beim Tigerentenclub, den meine Kinder nebenan angeschaut haben. Der Tigerentenclub war unterlegt mit einem spannungserzeugenden Herzschlag-Sound, der nun Franzis Performance im AstroGeo Quiz unterlegte. Passte sehr gut und ließ den Suspense-Faktor expotentiell anwachsen. Könnt Ihr ja mal ausprobieren!
Servus, ich habe eine Frage zur Wissensvermittlung der Milanković-Zyklen im Schulunterricht: ich habe diesbezüglich mehrfach gelesen, dass diese auch im Schulunterricht behandelt worden seien, kann mich aber daran nicht aus meinem Physik-/ Mathe-LK oder Geografieunterricht bis zum Abitur 1982 erinnern. In der Folge hast Du, Karl, ja von der Natokonferenz (1984?) gesprochen, auf der der Disput beigelegt wurde. Kann es daher sein, dass dieses Thema erst danach in den Unterrichtskanon aufgenommen wurde? Natürlich könnten auch einfach mein schlechtes Gedächtnis und mangelnde Aufmerksamkeit Gründe für die vormalige Wissenslücke sein, aber beides ist eher unwahrscheinlich. Ich weiß, dass Ihr beide deutlich jünger seid, aber vielleicht gibt es ja noch andere Zuhörer:innen, die dazu etwas sagen können.
Danke in jedem Fall. LG Oliver
Ich habe von Milanković-Zyklen bewusst erst im Studium (nach 2005) gehört. Ich hatte aber auch keine nennenswerte Geologie in meiner Schulzeit.
Ich bin ziemlich sicher, dass das Thema in meinem Unterricht nicht vorkam (Abitur in Bayern 1981). Was natürlich dank Föderalismus nichts über andere Bundesländer aussagt.
Jedenfalls war in Spektrum der Wissenschaft im April 1984 ein Artikel zum Thema [1] (und vermutlich einige Wochen oder Monate zuvor das Original in Scientific American), und schon im November 1983 wurde es in einem anderen Artikel zumindest erwähnt [2], und wenn die Erinnerung nicht trügt, dann habe ich da zum ersten Mal von dem Thema gehört. Die besagte Konferenz war übrigens 1982, nicht 1984. Die erwähnten Artikel von 1983/84 könnten also durchaus davon inspiriert gewesen sein.
[1] Curt Covey: Erdbahn und Eiszeiten, Spektrum der Wissenschaft 4/1984, S. 84
[2] Andrew P. Ingersoll: Die Atmosphäre, Spektrum der Wissenschaft 11/1983, S. 108
Vielen Dank für die tolle Fortsetzung. Besonders gefreut habe ich mich, dass Isotopenmethoden eine so große Rolle in der Folge spielen durften. Das sind unglaublich spannende Werkzeuge, die man in den unterschiedlichsten Bereichen einsetzen kann – von der Datierung von Grundwasservorkommen über die Frage, ob griechischer Spargel fälschlicherweise als deutscher angeboten wird bis hin zu Erkenntnissen, wo Ötzi seine Kindheit verbrachte. Bei der Untersuchung von Klimaarchiven spielen sie natürlich eine sehr wichtige Rolle
Allerdings ist euch dabei ein Fehler unterlaufen: Franzis Frage, ob man statt O18 auch Deuterium verwenden kann, ist absolut berechtigt und mit ja zu beantworten. Karl verwechselt das stabile Deuterium kurzzeitig mit dem radioaktiven Tritium. Deuterium wird in der Tat häufig ergänzend zu O18 verwendet. In den Ozeanbohrkernen möglicherweise nicht, weil das Sediment zwar Sauerstoffatome, aber keine Wasserstoffatome enthält (hier endet mein geologisches Wissen)?
Wollte ich ihnen auch grade schreiben das Deuterium stabil ist… ev. spielt auch noch eine Rolle, dass Deuterium, und damit wohl auch D2O, mit 156ppm ca. 10x seltener ist als O18 (2 Promille) und das daraus gebildete Wasser, was es als Temperatur-Proxy wohl ungenauer machen dürfte.
Ich bin kein Experte auf diesem Gebiet, aber wenn ich mich nicht täusche, liegt da ein Denkfehler vor – echtes schweres Wasser, also D2O, ist noch sehr viel seltener. Man findet zwar im Web x-fach die Behauptung, die Häufigkeit sei 0,156 Promille, allein, es stimmt nicht. Richtig ist, dass die Konzentration von halbschwerem Wasser, also HDO, bei diesem Wert liegt. Aber bei D2O geht der Anteil von D am gesamten Wasserstoff quadratisch in die Konzentration ein, so dass D2O in der Natur einen mittleren Anteil von ca. 0,024 ppb hat. Das steht auch im engl. Wikipedia-Artikel („… and heavy water molecules (D2O) only occur in a proportion of about 1 molecule in 41 million“):
https://en.wikipedia.org/wiki/Heavy_water#Semiheavy_water
Deshalb stört D2O die Messungen mit O16/O18 im Wasser nicht weiter. Und weil sich O16 und O18 in der Atommasse um 2 unterscheiden, H2O und HDO dagegen nur um 1, stört HDO auch nicht.
DeltaO18 und DeltaD werden häufig ergänzend verwendet. Die Messungen werden nicht „gestört“, weil man typischerweise nicht das ganze Wassermolekül in das Massenspektrometer steckt, sondern chemisch aufbereitete Proben, in denen O und D anderweitig gebunden sind. Es werden also nicht die Massen der Wassermoleküle gemessen, sondern die der O- und/oder H-Atome. Deshalb spielt es auch keine Rolle, ob das Deuterium als D2O oder als DHO vorlag.
Deuterium ist zwar selten, aber der Fraktionierungseffekt ist gegenüber dem bei O18 viel stärker ausgeprägt, weil der relative Massenunterschied viel größer ist. Im Massenspektrometer kann man auch geringe Mengen D gut nachweisen. Der statistische Fehler ist dann zwar größer, aber aufgrund des starken Fraktionierungseffekts erhält man trotzdem ein belastbares Ergebnis, vermute ich.
Es gibt Proben, in denen man beides messen kann (Grundwasser, Niederschlag, Eiskerne – also Wasserproben). Oft geht das allerdings nicht. Dann kann man aber vielleicht O aus Knochen und H aus Tier-oder Menschenhaaren ergänzend verwenden, wenn man einen archäologischen Fund eines Skeletts untersuchen möchte, das Wollklamotten trägt zum Beispiel. In dem Fall hat man DeltaO18 und DeltaD aus derselben Zeit am selben Ort verfügbar, nur in unterschiedlichen chemischen Verbindungen.
Eine interessante Anwendung, wo man sowohl DeltaO18 als auch DeltaD misst, ist der Deuterium Exzess, der Auskunft über die klimatischen Bedingungen am Verdunstungs- und Niederschlagsort einer Wasserproben gibt.
Eine ausführliche Übersicht, was man mit den Wasserstoff- und Sauerstoffisotopen (getrennt oder gemeinsam) in der Hydrologie messen kann, bietet dieses PDF:
https://www.hydroisotop.de/assets/Uploads/Prospekte-de/Deuterium-Sauerstoff-18-Wasser.pdf
Danke an alle, denen das mit schwerem Wasser und dem eigentlich stabilen Deuterium aufgefallen ist. Wir werden da im nächsten Geplänkel nachlegen. 🙂