Je nach Masse beenden Sterne ihre Entwicklung auf unterschiedliche Weisen. Ein Stern wie unsere Sonne – eher klein, eher gelb – endet als Weißer Zwerg. Massereichere Sterne hingegen verwandeln sich in Neutronensterne, die dichtesten Gebilde im Universum. Nur den massereichsten Sternen ist das wohl spektakulärste Schicksal vorbehalten: Sie kollabieren zu einem Schwarzen Loch. Weiße Zwerge und Neutronensterne können Astronominnen und Astronomen problemlos im All beobachten – aber Schwarze Löcher? Wie sollte man ein Schwarzes Loch beobachten können, das seinem Namen wirklich alle Ehre macht, da schließlich noch nicht einmal Licht ihm entkommen kann? Schwarze Löcher sind per Definition unsichtbar.
Nachdem Forschende im Jahr 1939 die Existenz von Schwarzen Löchern vorhergesagt hatten, blieben diese zunächst ein rein theoretisches Gebilde. Wenn überhaupt, beschäftigten sich Mathematiker und theoretische Physiker damit, vor allem waren das die Liebhaber der Allgemeinen Relativitätstheorie. Astronomen und Astrophysikerinnen hingegen kümmerten sich nicht um Schwarze Löcher – denn noch war sich niemand sicher, dass es sie tatsächlich gibt.
Das sollte sich erst in den 1960er-Jahren ändern. Damals wurde klar, dass Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie nicht nur ein theoretisches Konstrukt ist, sondern sich auch an astronomischen Himmelsobjekten beobachten lässt. Da Schwarze Löcher eine Konsequenz aus der Allgemeinen Relativitätstheorie sind, stellte sich damit die Fragen, ob es sie tatsächlich gibt und falls ja, wie man sie überhaupt beobachten könnte.
In dieser Folge erzählt Franzi, wie Astronominnen und Astronomen das erste Schwarze Loch entdeckt haben: eine helle Röntgenquelle namens Cygnus X-1 im Sternbild Schwan – und warum sie sich trotzdem lange Zeit nicht sicher sein konnten, dass es wirklich existierte.
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- Folge 61: Quasisterne in der Ferne
- Folge 75: Ein Schwarzes Loch im Zentrum: der etwas andere Quasi-Stern
- Folge 102: Das Ende des Anfangs: Was vom Urknall übrigblieb
- Folge 120: Raumzeit-Riss: Wie Karl Schwarzschild auf Schwarze Löcher stieß
- Folge 123: Weiße Zwerge – die Rettung vor dem Schwarzen Loch?
Weiterführende Links
- WP: Allgemeine Relativitätstheorie
- WP: Ereignishorizont
- WP: Singularität (Astronomie)
- WP: Schwarzes Loch
- WP: Geschichte der Schwarzen Löcher
- WP: Ereignishorizont
- WP: David Finkelstein
- WP: Engelbert Schücking
- WP: 3C 273
- WP: Quasar
- WP: Martin Schwarzschild
- WP: Robert Henry Dicke
- WP: Cygnus X-1
- Welt der Physik: Die Grenzen eines Schwarzen Lochs (2016)
Quellen
- Fachartikel: Cygnus X-1-a Spectroscopic Binary with a Heavy Companion? (1972)
- Buch: Marcus Chown: A Crack in Everything
- Buch: Marcia Bartusiak: Black Hole
- Fachartikel: The Prediction and Interpretation of Singularities and Black Holes: From Einstein and Schwarzschild to Penrose and Wheeler (2025)
Episodenbild: NASA/CXC/SAO
Schwarze Löcher sind unsichtbar – auch auf diesem Röntgenbild ist das Schwarze Loch Cygnus X-1 nicht zu sehen. Es verrät sich über seine Röntgenstrahlung: Weil das Schwarze Loch Materie von seinem Begleitstern abzieht, wird diese hochenergetische Strahlung freigesetzt, während die Materie selbst auf Nimmerwiedersehen ins Schwarze Loch stürzt.

Tolle Doppelfolge, vielen Dank und für Franzi ein leichtes Thema: Tabbys Stern
Danke für die erschöpfende (vor allem für Franzi) Würdigung der Geschichte der schwarzen Löcher. Was die musikalische Bearbeitung des Themas angeht, habe ich noch einen kleinen Hörtipp:
Die kanadische Band Rush hat schon 1977 eine Reise zum und den immerwährenden Sturz ins schwarze Loch Cygnus X 1 im gleichnamigen Song beschrieben.
Hallo Franzi,
danke für Deine Mühen in diesem Dreiteiler. Da es bei dieser Folge nicht mehr im die Grundlagen sondern die Historie der Akzeptanz von SW in der Astrophysik ging, war sie für mich am einfachsten zu verstehen. Vor allem aber Folge 2 hat mich fertig gemacht – ich kann zu den meisten Dingen noch nicht mal eine Frage formulieren. Eine habe ich aber: Ist der Unterschied zwischen Weißem Zwerg, Neutronen Stern und Schwarzem Loch am Ende „nur“ der jeweilige quantenmechanische Effekt auf die jeweils unterschiedliche Größe der implodierenden Masse? Oder – das geht jetzt vllt jetzt ein wenig vom Thema weg – haben diese Objekt noch andere Eigenschaften, an denen sie zu unterscheiden sind? Denn ansonsten könnte man doch auch sagen dass diese drei eigentlich die gleiche Objektart sind, von denen es drei verschiedene Typen gibt? Man fässt ja auch Novae von Nova bis Hyper-Nova als eine Art zusammen und unterteilt sie dann nach ihrer Größe…
Liebe Grüße!
Ein weißer Zwerg und ein Neutronenstern müssen nicht implodieren. Sie sind stellare Objekte mit einer Oberfläche und sehr unterschiedlicher Stärke der Oberflächengravitation.
Da ein weißer Zwerg typischerweise 10000 km Radius hat, ein Neutronenstern aber nur 10 km und die Massen von Neutronensternen nur geringfügig höher sind (typischerweise das Doppelte) ist die Gravitation an der Oberfläche eines Neutronensterns rund 10**6 mal höher. Lässt man keine Masse auf den weißen Zwerg bzw. den Neutronenstern runterregnen, kühlen sie sich friedlich ab und sind nach etlichen Jahrmilliarden nicht mehr heißer als die Sonne.
Der weiße Zwerg besteht im Wesentlichen aus Atomkernen (Kohlenstoff und Sauerstoff, Helium, an der Oberfläche oft auch Wasserstoff) und freien Elektronen, deren Entartungsdruck ihn am Implodieren hindert. Die Atomkerne haben relativ große Abstände, die durch die Elektronen zwischen ihnen aufrechterhalten werden.
Der Neutronenstern (oft der übriggebliebene Kern einer Supernova) besteht im Innern nicht mehr aus Atomkernen sondern aus Neutronen, von denen ein großer Teil durch Einfang der Elektronen durch die Protonen der im Vorgängerstern vorhandenen Atomkerne entstanden sind. Die Elektronen sind also weg, werden aber auch nicht mehr für die Ladungsneutralität gebraucht. Die Neutronen sind dicht gepackt, was die ca. 100 Millionen mal größere Dichte im Innern von Neutronensternen gegenüber weißen Zwergen bedingt. An der Oberfläche gibt es auch noch Protonen und andere Atomkerne sowie einzelne Elektronen.
Ein schwarzes Loch hat keine Oberfläche, auf die etwas aufprallen könnte. Es hat einen Ereignishorizont, durch den man ohne Weiteres durchfallen könnte. Bei einem schwarzen Loch von etwa 10 Sonnenmassen sind die radialen Gezeitenkräfte auf einem Meter Abstand etwa 10**8 g — das sind die Spaghettifizierungsbeschleunigungen, mit denen ein Mensch auseinandergezerrt würde. Also angenehm wäre das Durchfallen nicht. Bei Sagittarius A* wären es immer noch 25 g, bei 10 Milliarden Sonnenmassen allerdings nur noch 1/10 g.
Im Innern des Ereignishorizonts ist Vakuum, allerdings liegt in der Zukunft die Singularität der Raumzeit, die irgendwie die Masse des Vorgängersterns aufgenommen hat… Allerdings ist das eine Aussage aus der Allgemeinen Relativitätstheorie, die an der Singularität mathematisch zusammenbricht.
Bezüglich des Vakuums im Innern des Ereignishorizonts eines schwarzen Lochs muss ich mich korrigieren. Das ist korrekt für die durch die Schwarzschildmetrik beschriebene Raumzeit, welches ein sogenanntes „ewiges schwarzes Loch“ beschreibt.
Im Universum vorkommende schwarze Löcher sind aber nicht ewig, sondern in der Regel durch den Kollaps einer großen Masse entstanden.
Solche schwarzen Löcher werden, selbst wenn man annimmt, dass die Masse keinen Drehimpuls hatte (ansonsten wird das schwarze Loch aufgrund des Pirouetteneffekts beim Kollaps ziemlich schnell rotieren), nicht durch die Schwarzschildmetrik beschrieben, sondern durch die Oppenheimer-Snyder-Lösung oder eine Variante davon ohne Koordinatensingularitäten. Das heißt, außen Schwarzschildmetrik, ggf. mit Ereignishorizont, innen die Metrik der kollabierenden Masse.
Für das Erlebnis eines in ein stellares schwarzes Loch hineinfallenden Beobachters (der sich in einer Schwarzschildmetrik befindet) macht das folgenden Unterschied. Wenn wir annehmen, dass er jegliche elektromagnetische Strahlung „sehen“ kann, auch beliebig infrarote, dann sieht er *immer* die Oberfläche des kollabierenden Sterns vor sich, wobei die Rotverschiebung umso größer ist, je später der Beobachter den Ereignishorizont passiert. (Die Zeit, die man bei der Bestimmung von „später“ zugrunde legt, sollte aber nicht die Schwarzschildzeit sein, sondern eine nichtsinguläre Zeitkoordinate. Die Schwarzschildzeit ist für alles, was den Horizont passiert, unendlich. Da kann man keine Reihenfolge der durchfallenden Objekte angeben. Nimmt man aber Painlevé-Gullstrand-Koordinaten oder Kruskal-Szekeres-Koordinaten, ist die Reihenfolge durchfallender Objekte wohldefiniert und passiert zu endlichen Zeiten.)
Ein mit normalen Augen ausgestatteter Beobachter wird die Oberfläche des kollabierenden Sterns nur sehen, wenn er „kurz nach“ dem Kollaps durch den Ereignishorizont fliegt. Tut er das erst viel später, ist das Bild der Oberfläche schon so rotverschoben, dass er nichts mehr sieht.
Nichtsdestotrotz heißt das, dass in einem realen schwarzen Loch nicht nur Vakuum ist, sondern zu jedem Zeitpunkt (vor Entstehen der Singularität) noch die Masse des kollabierenden Sterns, aber eben nicht auf Größe null geschrumpft, sondern sich in der Größe dynamisch verändernd.
Übrigens wird ein spät nach dem Fall der Sternenoberfläche durch den Ereignishorizont in das schwarze Loch fallender Beobachter die Sternenoberfläche bis zu dem Moment sehen, in dem er auf die Singularität trifft. (Immer unter der Voraussetzung, dass er alle Frequenzen sehen und die Gezeitenkräfte ignorieren kann.) Aus seiner Sicht trifft er selbst die Singularität eher als die Sternenoberfläche das tut! Für die Sternenoberfläche ist es umgekehrt, für sie trifft der Beobachter später auf die Singularität. (Das ist möglich, weil die Singularität eine raumartige Hyperfläche ist.)
Diese Dinge habe ich selbst in einem Fachartikel beschrieben: Klaus Kassner, Why ghosts don’t touch: a tale of two adventurers falling one after another into a black hole, Eur. J. Phys. 38, 015605 (2017), https://arxiv.org/pdf/1608.07511
Um zu den oben gemachten Aussagen zu kommen, muss man nur die zuerst in das schwarze Loch fallende Beobachterin, Alice, durch ein Oberflächenelement des kollabierenden Sterns ersetzen. Bob kann Beobachter bleiben. Vielleicht lieber ein Roboter…
Die Singularität selbst wird übrigens nie sichtbar. Denn wenn von ihr Lichtstrahlen ausgingen, würden sie sofort in die Singularität fallen… (In der Schwarzschildmetrik ist die Singularität bei r=0 und alles, was sich bei r<r_s befindet, kann sich immer nur zu kleineren r-Werten hin bewegen. Kleiner als r=0 geht aber nicht.)
Schöne detaillierte Schilderungen, was man beim Flug in ein schwarzes Loch so alles sehen kann (wenn man davon absieht, dass man im Fall eines stellaren schwarzen Lochs beim Durchqueren des Horizonts schon tot ist) gibt Andrew Hamilton auf seinen Webseiten. Starten kann man mit https://jila.colorado.edu/~ajsh/bh/singularity.html
Liebe Franzi, lieber Karl,
Danke für euren Podcast!
Ich kenne ihn erst seit ein paar Wochen und höre gerade eine Folge nach der anderen und bin angefixt und begeistert.
Zu dieser Folge habe ich eine Frage:
Warum genau ist der Stern oder die Astronautin die den Ereignishorizont überschreitet von außen gesehen eingefroren?
Das verstehe ich auch nach dem Lesen des Wikipediaeintrags leider nicht.
Was passiert mit den Photonen?
Falls du Lust hast das nochmal zu erklären Franzi würde ich mich sehr freuen.
Herzliche Grüße von Rico 🙂
Wenn unser Astronaut Licht (oder ein Radiosignal) in regelmäßigen Zeitabständen nach außen schickt, so braucht dieses Licht immer länger, um einen fernen Beobachter bei einem festen Radius zu erreichen. Die effektive Lichtgeschwindigkeit nimmt aus der Sicht des fernen Beobachters um so mehr ab, je näher der Astronaut dem Ereignishorizont kommt. Für den Astronauten hat das Licht, das er schickt immer die gleiche Geschwindigkeit c.
Vom Ereignishorizont selbst kommt Licht nicht mehr weg, obwohl der Astronaut selbst immer noch feststellt, dass es sich mit Lichtgeschwindigkeit von ihm wegbewegt (das ist so, weil er selbst mit Lichtgeschwindigkeit durch den Horizont fällt). Das Licht, das nicht mehr wegkommt, kommt auch nie beim fernen Beobachter an. (Für ihn hat es die Geschwindigkeit null.)
Was sieht also der ferne Beobachter: eine Serie von Lichtpulsen (oder Radiosignalen), deren zeitlicher Abstand immer mehr zunimmt, bis schließlich keiner mehr ankommt. Der Astronaut sendet sie aber alle im gleichen zeitlichen Abstand ab. Die Abfolge der Lichtpulse verlangsamt sich also aus Sicht des fernen Beobachters und zwar bis zum Stillstand.
Wenn wir nun auf das Niveau der Photonen runtergehen, dann sind das elektromagnetische Schwingungen mit einer bestimmten Frequenz. Diese Frequenz sinkt aber für den fernen Beobachter in gleicher Weise ab wie die Frequenz der Folge der Lichtpulse. Tatsächlich kann er seine Beobachtungen so interpretieren, dass die Zeit für den Astronauten langsamer geht als für ihn – Zeitdilatation. Und am Ereignishorizont sogar stehen bleibt.
Die Frequenzverminderung der Photonen hat den Effekt, dass ihre Farbe sich ändert, sie erleiden eine Rotverschiebung, die schließlich ins Infrarote und in den Mikrowellenbereich abdriftet. Man sieht also nicht nur ein Einfrieren der Bewegungen des Astronauten, sondern sein Bild wandert aus dem optischen Bereich in nichtoptische Frequenzregionen. Er wird also vor dem völligen Einfrieren unsichtbar.
Alles, was der Astronaut nach dem Fall durch den Ereignishorizont erlebt, ist für den fernen Beobachter unzugänglich; er kann keine Information darüber erhalten.
Danke Klaus Kassner für den Kommentar.
Wollte auch noch mein Pronomen hinzufügen: Sie
Liebe Grüße
Rico
Ich hatte ja ursprünglich gedacht, dass es in dieser dritten Folge der Serie um schwarze Löcher und Singularitäten gehen würde, aber die Geschichte der Beobachtung schwarzer Löcher ist für ein allgemeines Publikum sicher ergiebiger.
Eine Darstellung möchte ich aber ein wenig zurechtrücken: Schwarzschild wusste nichts von zwei Singularitäten. Er hat seine Lösung nämlich selbst nicht in voller Konsequenz verstanden. Die Radialkoordinate hieß bei ihm R und er setzte R³=r³+r_s³, wo r_s der Schwarzschildradius ist (bei ihm α). Er hielt r für die übliche Radialkoordinate in Kugelkoordinaten, d.h. bei ihm war am Schwarzschildradius r=0, und das war die einzige Singularität. Der Fall R=0 konnte nicht auftreten, wenn r_s>0 war. Dass der Ereignishorizont für r→0 eine endliche Oberfläche behielt (4π r_s²), also keine Punktsingularität sein konnte, fiel ihm vielleicht nicht auf… Für ihn entsprach das der Singularität des Gravitationsfeldes einer Punktmasse bei r=0, die es ja auch bei Newton gibt.
Koordinaten, die zeigen, dass der Schwarzschildradius nicht singulär ist, hat nicht erst Finkelstein 1958 eingeführt. Schon Painlevé und Gullstrand haben andere nichtsinguläre Koordinaten für die Schwarzschildmetrik gefunden, das war 1921 bzw. 1922 und Eddington hat 1924 in einem ganz kurzen Artikel die finkelsteinschen Koordinaten diskutiert (weswegen sie heute Eddington-Finkelstein-Koordinaten heißen, und es gibt natürlich auch Painlevé-Gullstrand-Koordinaten). Einstein hat mit Painlevé in Paris über dessen Lösung debattiert (die eine alternative Form der Schwarzschildlösung ist), mochte sie aber am Ende nicht akzeptieren. Er konnte mit dem nichtdiagonalen Term, der darin auftaucht, nichts anfangen. Damals verstand noch keiner, dass alle diese Lösungen durch Koordinatentransformationen ineinander umgeformt werden können (also grundsätzlich identische Lösungen sind).
Mit den Singularitäten der Allgemeinen Relativitätstheorie wird ein gewisser (negativer) Hype getrieben, als ob es etwas Besonderes wäre, dass eine Theorie, in der Singularitäten auftreten, damit ihren eigenen Gültigkeitsbereich begrenzt. Das ist auch mit der newtonschen Gravitationstheorie so! Das Gravitationsfeld von Punktmassen wird am Ort der Masse selbst unendlich, ist also singulär, also kann die newtonsche Gravitationstheorie keine Punktmassen beschreiben. Nun kann man das leicht wegdiskutieren, indem man postuliert, dass es keine Punktmassen gibt. Das ist aber nicht so selbstverständlich, denn auch in der newtonschen Theorie lassen sich solche vorhersagen.
Im Jahr 1783 hat ein Kleriker namens John Michell eine Berechnung der Masse eines Sterns geliefert, an dessen Oberfläche die Fluchtgeschwindigkeit die Lichtgeschwindigkeit erreicht. Nun wird in Chandrasekhars Berechnung nur das Elektronengas relativistisch behandelt, die Gravitation ist newtonsch. Das heißt, der michellsche dunkle Stern wird sich weiter zusammenziehen, weil nichts einer Gravitation widerstehen kann, deren Fluchtgeschwindigkeit der Lichtgeschwindigkeit entspricht. (Die Möglichkeit, einer Kompression zu widerstehen, findet ihre Grenzen aufgrund des Ergebnisses der speziellen Relativitätstheorie, das starre Körper ausschließt.) Am Ende müsste er eine Punktmasse werden, und damit folgt deren Existenz aus der newtonschen Mechanik und es wird unendliche Massendichte vorausgesagt, was nicht sein kann. Also verliert die newtonsche Theorie ihre Gültigkeit. Das ist allerdings heutzutage nichts Besonderes mehr. Wir wissen ja, dass noch vor der unendlichen Massendichte ein Stern steht, der nicht mehr mit newtonscher Theorie zu beschreiben ist, weil die Gravitation so stark wird, dass man für ihre Beschreibung auf die Allgemeine Relativitätstheorie zurückgreifen muss.
Im Fall der Allgemeinen Relativitätstheorie hat man keine so leichte Ausrede, denn die soll ja für beliebig starke Gravitation gelten. Anfangs hat man noch so argumentiert, dass man sagte, die Schwarzschildlösung und das Analogon für rotierende Sterne, die Kerr-Lösung sind hochsymmetrisch, die eine hat Kugelsymmetrie, die andere ist rotationssymmetrisch bezüglich einer Drehachse. Vielleicht sind die Punkt- und Ringsingularität der Lösungen Artefakte der Symmetrie. Ein echter Stern hat nicht diese perfekten Symmetrien und wahrscheinlich werden beim realen Gravitationskollaps Singularitäten durch leichte Abweichungen von der Symmetrie vermieden.
Diese Hoffnung wurde durch die Singularitätentheoreme von Penrose und Hawking zunichte gemacht. Die zeigten nämlich, dass wann immer eine geschlossene „trapped surface“ vorliegt, das ist eine Fläche, von der Licht nur nach innen gehen kann, eine Lichtfront also einen kurzen Moment nach Aussenden von allen Punkten der Fläche eine kleineres Volumen umschließt als zuvor, diese Front auf eine Singularität zusammenschrumpfen muss. Damit sind Singularitäten innerhalb der Theorie unvermeidbar.
Heute sieht man als anderen Ausweg, dass bei genügender Kleinheit des Bereichs, in dem die Singularität auftreten soll, eine quantenmechanische Beschreibung nötig wird. In der gibt es wegen der heisenbergschen Unschärferelation keine Singularitäten der quantenmechanisch fluktuierenden Raumzeit. Die Gravitationstheorie wird also tatsächlich ungültig an der Singularität, weil sie dort durch Quantenmechanik ersetzt werden muss.
Übrigens kann der michellsche dunkle Stern als gutes Beispiel dafür dienen, dass Karls in der Schule gelernte Definition eines Ereignishorizonts nicht ausreichend ist. Die Oberfläche dieses Sterns ist nämlich kein Ereignishorizont, obwohl die Fluchtgeschwindigkeit an ihr gleich der Lichtgeschwindigkeit ist, Licht also von ihr weg nicht ins Unendliche entkommen kann. Aber wenn unsere Sonne ein michellscher Stern wäre mit einer Fluchtgeschwindigkeit knapp über der Lichtgeschwindigkeit (d.h. ihr Radius müsste knapp unter 3 km sein), dann würde Licht von ihr — als Teilchenstrom mit Lichtgeschwindigkeit betrachtet — immer noch die Erde erreichen, auch den Mars und Jupiter noch, nicht mehr aber die Fixsterne. Denn ein Objekt, das mit Lichtgeschwindigkeit startet, kommt zwar nicht mehr aus dem Gravitationsfeld des Sterns heraus, aber eben noch ein ganz ordentliches endliches Stück weit, bevor es auf seiner Bahn zurück fällt.
Der Ereignishorizont der ART ist aber nicht nur ein Ort, von dem aus nicht einmal das Licht mehr von dem Stern entkommt, sondern Licht kommt buchstäblich kein bisschen über den Ereignishorizont hinaus. Von außen „gesehen“, bleibt es am Ereignishorizont hängen. Licht, das in der Schwarzschildmetrik bei r=r_s nach außen gerichtet (d.h. zu größeren r-Werten hin) abgeschickt wird, kommt nicht bis r=r_s+epsilon und fällt dann zurück, sondern es bleibt immer bei r=r_s und wenn es von unterhalb des Schwarzschildradius abgeschickt wird, fällt es sogar nach innen.
Für einen Beobachter, der selbst am Schwarzschildradius ist, geht es aber immer noch mit Lichtgeschwindigkeit nach außen… Das ist nicht so schwer zu verstehen, denn kein Beobachter kann am Schwarzschildradius in Ruhe, also bei konstanter Radialkoordinate bleiben. Alle fallen durch, und zwar mit Lichtgeschwindigkeit. (Innerhalb ist ein Zustand mit konstantem Radius erst recht nicht möglich.) Wenn der Beobachter mit Lichtgeschwindigkeit nach innen fällt, bewegt sich die dort „hängende“ Lichtfront relativ zu ihm mit eben dieser Geschwindigkeit nach außen.
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Ach ja, eine Bemerkung aus der Sendung fällt mir noch ein, die eine falsche Schlussfolgerung beinhaltete. Irgendwie ging es darum, dass schwarze Löcher die ordentlichsten Objekte seien, weil sie durch drei Größen vollständig beschrieben werden können (no hair theorem), nämlich Masse, Drehimpuls und Ladung. Klingt sehr plausibel, ist aber falsch, denn die Entropie schwarzer Löcher ist sehr hoch, entspricht der größtmöglichen Entropiedichte, die ein Körper mit dem Volumen des schwarzen Lochs haben kann. Entropie ist ein Maß für Unordnung, schwarze Löcher sind also maximal ungeordnet. (Das heißt, die Zahl der Mikrozustände, die den Makrozustand eines schwarzen Lochs verwirklichen können, der durch die genannten drei Parameter gekennzeichnet ist, ist maximal groß.) Die Entropie eines schwarzen Lochs ist proportional zur Fläche des Ereignishorizonts, also zum Quadrat der Masse. (Überlegungen zur Entropie schwarzer Löcher haben auf die Idee der Hawking-Strahlung geführt.)
Massereichere schwarze Löcher haben eine höhere Entropie, sind aber nicht wärmer, wie man dann vielleicht erwarten würde, sondern kälter. Die kältesten Objekte im Universum sind ebenfalls schwarze Löcher, ihre Temperatur ist umgekehrt proportional zur Masse. Ein schwarzes Loch von Sonnenmasse hätte eine Hawking-Temperatur von 62 nK (milliardstel Kelvin). Die Hawking-Strahlung ist zunächst mal thermisch und ihr Spektrum liefert die Temperatur (nicht, dass man Hawking-Strahlung im Vakuum schon mal gemessen hätte; ihre Intensität ist in der Praxis weit geringer als die des Mikrowellenhintergrunds und sie ist natürlich langwelliger, liegt im langwelligen Radiowellenbereich). Das schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße hat eine Temperatur, die um einen Faktor vier Millionen niedriger ist, also etwa 15 fK (Femtokelvin) und die größten schwarzen Lächer mit 10 Milliarden Sonnenmassen liegen etwa 1 Attokelvin über dem absoluten Nullpunkt der Temperatur.
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Am Anfang der Sendung wurde auf die Tatsache eingegangen, dass sich einige Jahrzehnte lang in der Allgemeinen Relativitätstheorie nicht viel getan hat, weil sie keine Anwendungen hatte. Das ist nicht ganz genau, denn das newtonsche Gravitationsgesetz ist ja als Grenzfall in der ART enthalten und alle Anwendungen dieses Gesetzes sind auch Anwendungen der Allgemeinen Relativitätstheorie. Nur eben für den Fall schwacher Gravitationsfelder. Und das ist der eigentliche Punkt. Die Stärke allgemeinrelativistischer Effekte im Sonnensystem wird grob durch Φ/c² beschrieben, wobei Φ=GM/r der Betrag des newtonschen Gravitationspotentials ist und das ist außerhalb der Sonne überall kleiner als 10**(-5), also eine sehr kleine Größe. Damit sind im Sonnensystem die Abweichungen der Vorhersagen der ART von der newtonschen Gravitationstheorie sehr klein (hauptsächlich ist da die Periheldrehung des Merkur zu nennen, die um 43 Bogensekunden/Jahrhundert von der aus der newtonschen Theorie als Einwirkung der anderen Planeten berechneten in Höhe von ca. 530 Bogensekunden/Jahrhundert abweicht).
Aber eben nicht nur im Sonnensystem. Für alle Sternensysteme mit normalen Sternen oder auch weißen Zwergen sind allgemeinrelativistische Effekte zu schwach, als dass man sie damals hätte messen können, etwa um weitere Bestätigungen der ART zu erhalten. Erst die Kenntnis extremerer Objekte wie Neutonensterne oder schwarze Löcher machte Tests der Allgemeinen Relativitätstheorie mit starken Feldern möglich, wo die Abweichungen von Newton größer und interessanter werden. Und als man sich dann intensiver mit der Theorie beschäftigte, fand man auch interessante astrophysikalische Anwendungen im Bereich schwacher Felder, nämlich bei der Gravitationslinsenwirkung von ganzen Galaxien, die in der Entfernungsmessung nützlich ist.