Geowissenschaften, Klima, Paläontologie
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Riffsterben und Klimachaos im Devon: Sind die Bäume schuld?

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Karl Urban
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Franziska Konitzer
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Auf einer Wanderung durch den Harz entdeckt der Geologe und Botaniker Friedrich Adolph Roemer im Jahr 1850 eine merkwürdige Gesteinsfolge. Es sind dicke graue Kalkbänke, die durch viel dünnere und schwarze Kalklagen durchbrochen sind. Kalkstein ist fast nie schwarz – und ist er es doch, spricht seine Färbung für eine Katastrophe.

Karl erzählt in dieser Folge von dem wohl merkwürdigsten Massensterben der Erdgeschichte. Bis heute haben Fachleute nur ein lückenhaftes Bild davon, was damals, vor rund 372 Millionen Jahren, begann. Sie wissen, dass damals weltweit die Meeresriffe starben und dass das Klima über viele Millionen Jahre äußerst instabil war. Viele Ursachen sind dafür im Gespräch – aber am wahrscheinlichsten scheint der Erfolg einer Gruppe von Organismen, die wir heute mit vielen Dingen in Verbindung bringen, aber nicht mit einem Weltuntergang: Es sind Pflanzen – und darunter vor allem die Bäume.

Die Geschichte rund um das Massensterben im späten Devon ist komplex, weshalb es insgesamt acht Merkwürdigkeiten zu erzählen gibt. Und obwohl uns diese Zeit fremd erscheint, hat eine Merkwürdigkeit auch mit uns zu tun.

Zur Hälfte blickt man ins Wasser, zwei gestreifte lange Fische, ein größerer kommt gerade angetaucht und reißt sein zahnbesetztes Mail auf. Am Ufer strolchen zwei Fische durchs flache Wasser, an Land im Nebel sind Bäume und flache Sträucher zu erkennen.
Die Landschaft im späten Devon: Während sich an Land die Pflanzen verbreiteten, lebten im Meer urtümliche Quastenflosser (Vordergrund links) und der Raubfisch Dunkleosteus (rechts), der über acht Meter lang werden konnte (Mikhail Shekhanov).

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Quellen

Episodenbild: Fiddlehead in Macro Shot Photography / Pexels

13 Kommentare

  1. Es ist interessant, dass wir Menschen nicht die ersten Lebensformen der Erde sind, deren Aktivitäten darauf hinauslaufen, Massensterben hervorzurufen.

    Die allerersten waren wohl diese Cyanobakterien, die das große Oxidationsereignis hervorgerufen haben, durch das die Atmosphäre sich von einer gemütlichen Stickstoff-Kohlendioxid-Zusammensetzung in eine tödliche Sauerstoff enthaltende Mischung umwandelte. Die erste Umweltkatastrophe des Planeten! Die meisten anaeroben Einzeller starben aus. Allerdings liegt das soweit zurück, dass es nicht zu den fünf großen Aussterbeszenarien gezählt wird. Für mich stellt sich die Frage, ob diese Art der Entstehung einer Sauerstoffatmosphäre die einzige wissenschaftlich bekannte oder wenigstens wahrscheinliche ist. Wenn ja, würde ja schon die Entdeckung eines Exoplaneten mit einer sauerstoffreichen Atmosphäre auf Leben hindeuten.

    Nun höre ich aus der Sendung, dass Bäume für eine ähnliche Umweltkatastrophe verantwortlich waren, aber nicht durch Erzeugung von zuviel Sauerstoff, der zu deren Zeit schon längst keine Gefahr mehr für die Biosphäre darstellte, sondern durch Entzug von Kohlendioxid, was zur längerfristigen Abkühlung und Artensterben führte.

    Heute sind es die Menschen, die die Umwelt durch Produktion von *zuviel* Kohlendioxid belasten, also gewissermaßen eine Katastrophe mit entgegengesetzter Ausrichtung produzieren. Sie tun auch noch einiges anderes, um ein größeres Artensterben hervorzurufen.

    Es scheint, dass die darwinschen Mechanismen von Mutation und Selektion die Entwicklung zu höherer Komplexität und „Fitness“ mit besseren Überlebenschancen genausowenig sicher fördern, wie der Markt in der Wirtschaft alles regelt. (Dass der freie Markt, in dem jeder für sich selbst kämpft, nicht zur Optimierung von Wirtschaftsleistung und Wohlstand führt, wie das noch Adam Smith glaubte, hat John Nash mathematisch bewiesen. Eine Tatsache, die sich noch nicht bei vielen Ökonomen/Politikern herumgesprochen zu haben scheint.)

  2. Marcus Munzlinger sagt

    Mich interessiert dieser Umstand, dass es anscheinend wenig Wissenschaftler*innen gibt, die zu dem Thema forschen. Ist das so lange her, dass es nicht genug Ansatzpunkte zur Forschung gibt, um mehr Forschende mit ausreichend Beschäftigung zu versorgen? Gibt es einen Fachkräftemangel auch in Geologie und Paläontologie? Weil so, wie es Karl geschildert hat, klingt das doch erstmal recht lecker für dir Wissenschaft – es gibt mehrere Merkwürdigkeiten und dazu auch noch Hypothesen, an denen man sich abarbeiten kann.

    • Ich verstehe das so, dass hier zwar ein Problem existiert, aber die Lösung nicht einfach ist. Das hatte ich ja angedeutet: Die Datierung der Ereignisse (z.B. von den Vulkanausbrüchen) ist schwierig, genauso wie der Zeitpunkt der Sterbepulse selbst. Was ist Ursache, was Wirkung? Dazu gibt es nur wenig gute (Gesteins-)Aufschlüsse aus dem Devon, verglichen zum Beispiel mit Orten, wo man das Sterben am Ende der Kreidezeit beobachten kann.

      Interessant finde ich den Vergleich zum späten Perm. Das ist mit 251 Millionen Jahren eine Spur jünger. Aber auch hier brauchte es verbesserte Datierungen, sehr präzises Vermessen von vulkanischen Aschelagen und etliche neu entwickelte Proxys (indirekte Hinweise im Gestein für Umweltparameter), die dann zusammen eine recht gute Erklärung der Sterbeursache erlaubt haben. Aber auch erst vor einigen Jahren, obwohl Forschende schon Jahrzehnte lang darüber rätseln.

      Vielleicht ist beim Devon die Technik noch nicht weit genug, vielleicht muss erst jemand die entscheidende neue Idee haben (siehe: Iridiumanomalie), um dem ganzen Prozess auf die Schliche zu kommen.

      • Marcus Munzlinger sagt

        Danke für die direkte Antwort! Die Schwierigkeiten könnten ja auch andersherum gerade mehr Interesse in der Wissenschaft antriggern. Aber so wie ich Dich verstehe, gibt es schlicht eine Sackgasse hinsichtlich Technik und Fundstücken, sodass da einfach nicht genug Beschäftigungsmöglichkeiten für genug Forschende sind, um z.B. einen Kongress zum Thema abhalten zu können (das war ja die Geschichte in dem Podcast).

    • Spritkopf sagt

      Mich interessiert dieser Umstand, dass es anscheinend wenig Wissenschaftler*innen gibt, die zu dem Thema forschen. Ist das so lange her, dass es nicht genug Ansatzpunkte zur Forschung gibt, um mehr Forschende mit ausreichend Beschäftigung zu versorgen?

      „Nicht genug Ansatzpunkte“ ist meiner Ansicht nicht das Problem. So werden etwa die devonischen Riffe des Rheinischen Schiefergebirges schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts untersucht und sie sind so gut erforscht wie nur wenige andere geologische Regionen auf der Welt. Einen Überblick erhält man z. B. in „Höheres Mitteldevon und Oberdevon des nördlichen Rheinischen Schiefergebirges (mit Velberter Sattel und Kellerwald)“, Clausen, Korn, 2008.

      Auch zum Riffsterben im Oberdevon werden schon seit vielen Jahren Untersuchungen durchgeführt, z. B. in „Neue Ergebnisse zum oberdevonischen Riffsterben am Nordrand des mitteleuropäischen Variscikums“, Wilder 1989 (in Band 35 der Schriftenreihe „Fortschritte in der Geologie von Rheinland und Westfalen“ des Geologischen Landesamtes Nordrhein-Westfalen). Die einzelnen Bände der Schriftenreihe können übrigens hier heruntergeladen werden. Ich habe den Band 35 nicht direkt verlinkt, da er 168 MB groß ist.

      Möglicherweise lassen sich viele Geologen von der Tatsache abschrecken, dass es schon soviel Forschung dazu gibt. Das Carmichael-Paper (siehe Linkliste von Karl) vertritt die These, dass das Kellwasser-Event zwar ein globales Ereignis war, aber die Ursachenforschung sich zu sehr auf europäische und nordamerikanische Lokalitäten fixiert hätte, die sich im Devon allesamt in der äquatorialen Region von Laurussia befunden hatten, wodurch sich ein irreführendes Bild der Ursachen ergeben könnte. Und dass weitere Forschungen an Orten notwendig seien, die im Devon auf höheren Breitengraden in Gondwana oder Laurussia gelegen hätten.

  3. Marcus Munzlinger sagt

    @ Klaus Kassner: Die Analogie des Menschen zu den anderen Organismen, die Atmosphäre und Temperatur der Erdoberfläche so stark verändert haben, dass es in ihrer Umwelt zu einem Massensterben führte, ist an den Beispielen für uns ja auch deshalb interessant, weil diese Organismen selbst das von ihnen ausgelöste Sterben überlebt haben. Gibt es denn eine Vorstellung davon, ob die Veränderungen für Cynobakterien und Bäume jeweils selbst eine existentielle Bedrohung darstellten, an die sie sich anpassen mussten? Dann könnte man unser Bewusstsein über die von uns ausgelösten Veränderungen und deren Folgen ja – dadurch ihrer philosophischen Problematik beraubt – vllt. einfach als Fähigkeit zur Anpassung ansehen, während das Massensterben vieler anderer Arten munter weitergeht…

  4. Winni Büchl sagt

    Hallo AstroGeo Team, danke für den tollen Podcast!

    Nur kurz zum Thema Aktuallismus, ich glaube der ist in der Astro-Fraktion noch nicht ganz richtig angekommen und die Geologie hat nach einer Meinung nicht genug widersprochen :). Franzi sagte dazu einmal, es wäre doch albern zu glauben, alles sei früher wie heute, aber das sagt der Aktuallismus auch gar nicht. Der Aktuallismus sagt ja nicht „Alles ist wie es schon immer war“, sondern „die geologischen Prozesse und die Naturgesetze sind wie sind sie schon immer waren“.
    Die Physik kennt ja den selben Ansatz für die Naturgesetze (und eventuell Konstanten), das diese überall im Universum und zu allen Zeiten gleich sind.
    Verschiedene Details in der Auslegung und die Auseinandersetzung mit dem Katastrophismus als nicht vereinbare Gegenlehre ist sicher teilweise zweifelhaft. Aber auch Katastrophen wie Asteroideneinschläge werden heute aktuallistisch erklärt. Letztendlich ist der Aktuallismus die Grundlage jeder modernen Geologie und macht die Geologie als empirische Wissenschaft überhaupt erst möglich.
    Viele Grüße, Winni

  5. Danke Karl für diese interessante Geschichte.

    Beim hören hatte ich den Eindruck, dass das Hangenberg-Ereignis das erste war und das Kellwasser-Ereignis danach kam. Aber die Wikipedia meint, dass das Kellwasser-Ereignis eines der ersten war und dass das Hangenberg-Ereignis erst 13 Millionen Jahre später an der Grenze zum Karbon war.

    Was die verteilten kosmischen Materialien und die Reihe der 21 Krater angeht, ist da wirklich ein Ring die beste Erklärung? Mir kommt da eher der Einschlag des Kometen Schoemaker-Levy im Jahre 1994 auf Jupiter in den Sinn, der vorher in mehrere Bruchstücke zerbrach und dann innerhalb von einer Woche auf Jupiter stürzte. Das ist vermutlich bei der Erde schwieriger, weil sie leichter ist, aber Ringe verbinde ich eher mit zerbrochenen Monden, als mit Einschlägen. Was natürlich nicht ausgeschlossen ist, vielleicht hatte die Erde ja ähnlich wie Mars heute einen zweiten kleinen Mond der sehr niedrig war und durch die Gezeitenkräfte der Erde immer näher kam und schließlich zerbrach. Im Falle der Entstehung eines Rings durch einen Einschlag müsste der doch noch viel größer gewesen sein, als der am Ende der Kreide, oder?

    Was die Supernovae angeht, könnte das nicht auch über eine längere Zeit hinweg mehrere Supernovae gegeben haben, als die Erde vielleicht durch ein Sternentstehungsgebiet eines Spiralarms der Milchstraße geflogen sein könnte?

    @Klaus Kassner:
    Sauerstoff kann auch aus Wasser erzeugt werden, wenn es gespalten wird und der Wasserstoff schließlich in den Weltraum entweicht. Heute ist das nicht so viel, aber ohne Ozonschicht, könnte viel mehr Wasser zerlegt werden. Ein anderer vielleicht noch besserer Weg ist über Methan. Wenn durch biologische oder chemische Prozesse viel Methan aus Wasser und Kohlendioxid entsteht und nicht vollständig wieder oxidiert wird, und in der oberen Atmosphäre gespalten wird und der Wasserstoff entkommt dann könnte mehr als ausreichend Sauerstoff produziert werden. Die teilweise postulierten 100 ppm Methan zusätzlich zum Kohlendioxid, um das Paradoxon der schwachen jungen Sonne zu erklären würden über die Jahrmillionen so viel Sauerstoff produzieren, dass das mit den Beobachtungen nicht in Einklang gebracht werden kann. Das hängt natürlich von der Quelle des Methans ab. Wenn bei der Erzeugung kein Sauerstoff entsteht, gilt das natürlich nicht, dann wird Sauerstoff verbraucht bei der Oxidation.

    • Danke!

      Du hast recht, Kellwasser war zuerst, dann kam Hangenberg. Ich glaube, an einer Stelle habe ich das durcheinandergeworfen. Und zum Abstand der beiden: Da sage ich auch etwas Anderes, das hatte ich aus einem wenige Jahre alten Paper. Aber diese Zeitstempel sind recht stark im Fluss, da sollte man nicht allzu viel darauf geben, gerade bei solchen älteren Ereignissen.

      Ich werde versuchen, das im nächsten Geplänkel nochmal etwas aufzudröseln.

  6. Johannes Hofmann sagt

    Vielen Dank für die spannende Folge!

    Lustig finde ich den Gedanken, dass unser Dezimalsystem seinen Ursprung im Devon hat 🙂

  7. Ein möglicher Einschlagkrater ist der Woodleigh-Krater in Australien. Er könnte passen, aber Zeit und Größe sind sehr unsicher. Wenn er in die passende Zeit fällt und größer als 100 km ist, dann wäre er ein Kandidat für eines der Ereignisse.

    Schade, dass über diese Zeit so wenig bekannt ist. Das mit den zu wenig neuen Arten leuchtet mir nicht so ganz ein. Zumindest an Land gab es viel neues, Bäume und andere Pflanzen drangen in immer mehr Gebiete vor. Und die Wirbeltiere entdeckten das Land, wie zum Beispiel Ichthyostega.

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