Wie viele Planeten gibt es in unserem Sonnensystem? Im Jahr 2006 schien zumindest diese eine Frage ein für allemal geklärt zu sein. Denn der zuvor neunte Planet Pluto war zum Zwergplaneten degradiert worden. Fortan umrundeten nur noch acht Planeten unsere Sonne – und Pluto, der ehemalige Planet der Herzen, war nur noch eines von tausenden sogenannten transneptunischen Objekten, kurz TNOs, die unsere Sonne jenseits von Neptun in teilweise ziemlich merkwürdigen Bahnen umlaufen.
Doch die scheinbare Ruhe rund um die Planetenfrage in unserem Sonnensystem sollte nicht lange dauern. Nur zehn Jahre später, im Jahr 2016, veröffentlichten zwei US-amerikanische Forscher einen Fachartikel, in dem stand: Es gibt doch neun Planeten in unserem Sonnensystem! Der von den Forschenden beschriebene „Planet Neun“ sollte so richtig groß sein, weit massereicher als unsere Erde, wenn auch nicht gar so schwer wie Neptun. Mehrere tausend Jahre würde dieser Planet neun für einen Umlauf um die Sonne brauchen, und so weit weg sein, dass er für Astronominnen und Astronomen auf der Erde quasi unsichtbar wäre – ein schwacher, winziger Lichtpunkt draußen im All, aber eben doch ein richtiger, großer Planet.
Dieser Planet Neun würde sich lediglich über seinen Einfluss auf die transneptunischen Objekte im äußeren Sonnensystem verraten. Denn irgendetwas an deren Umlaufbahnen war und ist bis heute komisch: Mit dem derzeitigen Verständnis unseres Sonnensystems lassen sie sich nicht erklären. Doch ein weiterer Planet könnte sie mit seiner Schwerkraft beeinflussen und so dieses Rätsel lösen. Ein Planet Neun wäre demnach eine elegante Lösung für viele noch offene Fragen im äußeren Sonnensystem – aber gibt es ihn auch wirklich? Denn trotz jahrelanger Suche verlief die Jagd nach ihm bislang erfolglos.
In dieser Podcastfolge erzählt Franzi die Geschichte von der Jagd nach diesem Planeten: Es ist eine Geschichte von komischen oder vielleicht doch gar nicht so komischen Umlaufbahnen von Transneptun-Objekten, alternativen Erklärungsversuchen mithilfe eines vorbeifliegenden Sterns und dem Warten auf ein neues Teleskop, das endgültig klären könnte, wie viele Planeten es in unserem Sonnensystem gibt.
Weiterhören bei AstroGeo
- Folge 62: Plutos Herz und vier Sorten Eis
- Folge 72: Nizza-Modell: Chaos zwischen jungen Planeten
- Folge 108: Kein Herz für Pluto: Der wohlverdiente Zwergplanet
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Quellen
- Fachartikel: Transneptunian Space (2021)
- Buch: Mike Brown – Wie ich Pluto zur Strecke brachte
- Fachartikel: Evidence for a Distant Giant Planet in the Solar System (2016)
- Fachartikel: New constraints on the location of P9 obtained with the INPOP19a planetary ephemeris (2020)
- Fachartikel: The Orbit of Planet Nine (2021)
- Fachartikel: Generation of Low-inclination, Neptune-crossing Trans-Neptunian Objects by Planet Nine (2024)
- Fachartikel: Irregular Moons Possibly Injected from the Outer Solar System by a Stellar Flyby (2024)
- Fachartikel: Trajectory of the stellar flyby that shaped the outer Solar System (2024)
Episodenbild: Caltech/R. Hurt (IPAC)
Ich hatte schon begonnen, mir Sorgen zu machen, weil diese Folge doch deutlich länger auf sich warten ließ als es dem üblichen Rhythmus entsprach…
Bei der Frage, was Halbachsen sind, gab es ein bisschen ein Durcheinander, bis ihr schlicßlich doch drauf kamt, dass eine Halbachse einer Ellipse bei Entartung zum Kreis zum Radius wird und nicht zum Durchmesser. Wie Perihel und Aphel sich zu den Halbachsen verhalten, das war euch dann nicht mehr so klar, ist aber ganz einfach, solange man die Näherung verwendet, nach der die Sonnenmasse so viel größer ist als die eines Planeten, dass der Sonnenmittelpunkt und ein Brennpunkt der Bahnellipse als zusammenfallend angenommen werden können. Die Summe der Perihel und Aphel-Entfernungen eines Planeten gibt dann gerade die doppelte Länge der großen Halbachse seiner Bahnellipse, denn Perihel und Aphel sind Scheitelpunkte der Ellipse.
Übrigens kann man Probleme mit den Bezeichnungen der zentralkörpernächsten Bahnpunkte nicht mit fehlenden Lateinkenntnissen entschuldigen — peri und apo sind Präfixe, die aus dem Griechischen kommen! Ist eigentlich naheliegend, denn Hel ist das griechische Wort für Sonne, im Lateinischen heißt die Sol. Auch aus Perigäum und Apogäum würde man eher auf die griechische Konnotation Gaia schließen als auf das lateinische Terra. Bei Periastrum und Apastrum geht die Logik ein wenig verloren, denn Astrum ist lateinisch und die Kombination folglich ein Mischwort. Allerdings würden die vollständig aus dem Griechischen abgeleiteten Begriffe ganz ähnlich lauten: Periaster und Apaster. (Stern heißt im Lateinischen Stella oder Astrum und im Griechischen Aster, wie die Blume.)
Nach der Sendung habe ich mir noch überlegt, ob bei einem neunten Planeten mit etwa fünffacher Erdmasse in rund 1000 AE (astronomischen Einheiten) Entfernung der Brennpunkt der Bahnellipse, um den sich sowohl die Sonne als auch der Planet bewegen (weil die Sonne eben nicht unendliche Masse hat, sondern nur ungefähr 333000-fache Erdmasse) noch innerhalb der Sonne liegt (wie bei den anderen Planeten, glaube ich) oder außerhalb. Das schätze ich so ab: der Planet hätte etwa ein Sechzigstausendstel der Sonnenmasse, der Schwerpunkt von Sonne und Planet teilt ihren Abstand also im Verhältnis 1:60000, befindet sich rund also eine Sechzigstel AE vom Sonnenmittelpunkt entfernt. Dieser Schwerpunkt ist der Brennpunkt der Bahnellipsen von Planet und Sonne im Zweikörperproblem. Der Sonnenradius ist rund 700000 km, also ein Zweihundertstel einer AE. Damit befindet sich der Schwerpunkt außerhalb der Sonne (und die Periheldistanz wird größer als der kleinste Abstand eines Ellipsenscheitels vom Brennpunkt, die Apheldistanz größer als der größte Abstand eines Ellipsenscheitels vom Brennpunkt — Planet und Sonne befinden sich immer auf entgegengesetzten Seiten des Brennpunkts).
Herzlichen Glückwunsch zur 111. Folge!
Da musste ich natürlich sofort an Bilbo Beutlin denken, der just an seinem einundelfzigsten Geburtstag vor aller Augen unsichtbar wurde, so unsichtbar wie Planet 9 vor uns heute.
Tatsächlich habe ich auch schon seit einigen Tagen auf die neue Folge gewartet und wurde nicht enttäuscht. An dieser Stelle einen ganz großen Dank an eure Arbeit bzw. Freizeitgestaltung, so schöne Folgen zu produzieren.
Ich höre Astrogeo seit „Ninjas der Nacht“, und da hattet ihr mich nach den ersten Minuten bereits 😊
Und es ist ein gewisses Ritual geworden, Astrogeo immer abends draußen mit Blick auf den Sternenhimmel zu hören. Schöner als Netflix!
Eine Frage habe ich aber doch noch: Wenn die sechs bekannten TNO ihr Perihel an etwa derselben Stelle haben, bedeutet es dann nicht, dass sie in einer Resonanz mit Planet 9 stehen müssten? Oder sich irgendwie miteinander gegenseitig beeinflussen? Denn ich habe immer gedacht dass Planetenbahnen auch selbst rotieren, also sich das Perihel verschiebt, und das wahrscheinlich in unterschiedlicher Geschwindigkeit.
Wo ist mein Denkfehler?
1. @Klaus Kassner, das ist der wohl lustigste weil auf nette Art versnobteste Diss der gesamten deutschsprachigen Kommentarliteratur überhaupt: „Übrigens kann man Probleme mit den Bezeichnungen der zentralkörpernächsten Bahnpunkte nicht mit fehlenden Lateinkenntnissen entschuldigen — peri und apo sind Präfixe, die aus dem Griechischen kommen!“ Made my day 🙂
2. Ich hab das statistische Gegenargument nicht ganz verstanden. Ok man hat jetzt 3000 TNO’s, von denen aber, wie ich es rausgehört habe, die allermeisten friedlich und brav im Kuipergürtel auf wenig aufregende Weise ihre Bahnen ziehen. Dan finden Brown & seine Gang da 14 Objekte, die nicht nur komplette Ausreißer sind, sondern alle diese nah bei einander liegenden Perihel-Punkte haben. Ich hab jetzt nicht wirklich aus der Folge heraus gehört, dass in der Menge der bekannten TNO’s so viele Objekte enthalten sind, die sich auf anderen exzentrischen Bahnen weit außerhalb des Kuipergürtels bewegen, dass diese 14 damit statistisch plausibel als Resultat einer zufälligen Verteilung aufgefasst werden können. Und dann findet eine andere Gang irgendwie 4 andere von denen 2 ins Bild passen würden? Klingt für mich nicht nach Gegenargument, sondern eher als Stütze der Hypothese. Wie gesagt, trotz Dart-Scheibe: die statistischen Zweifel hab ich leider nicht geschnallt, sorry….
Nur zwei Worte: Geile Folge!
Superinteressant und spannend!
Wieder mal eine super Folge! Ihr habt es definitiv gepackt, dass ich, zumindest amateurhaft, nun Astronomie lerne. Ich habe mir kürzlich den Pearson zur Astronomie gekauft und dieses Buch fasziniert mich!